Wanderung auf den Hennenkopf

Zur Tour hatten sich sechs Wanderbegeisterte angemeldet. Leider schrumpfte die Teilnehmerzahl auf die Hälfte zusammen. Die verbliebenen drei Teilnehmer, im 80zigsten und 65zigsten Lebensjahr, starteten am Samstagmorgen um 06:15 Uhr in Richtung Ammergauer Alpen.
Nach der Wettervorschau konnten wir herrliches Bergwetter mit über 20⁰C Temperatur bei leichter Bewölkung erwarten. Nach knapp einer Stunde Fahrt waren wir am Wanderparkplatz in Unterammergau. Nach dem Stiefelschnüren war die Gruppe bereit, das Ziel, den Hennenkopf, anzugehen.


Der Weg führte kurz nach dem Parkplatz in die beeindruckende Schleifmühlenklamm. Bis in die 1950ziger Jahre wurden Steine in der Klamm bergmännische, im Tagebau, gebrochen, um daraus Wetzsteine herzustellen. Diese geologische Formation, die in Unterammergau an die Oberfläche tritt und den Rohstoff für die Wetzsteine liefert, wurde im Jura vor 200 Millionen Jahren gebildet. In die Ablagerungen wurden absinkende, kieselsäurehaltige Kleinstlebewesen eingeschlossen. Diese Kleinstlebewesen - kieselsäurereiche Radiolariten – verleihen dem Stein seine Eigenschaften, um als Wetzstein verwendet zu werden. Nach dem Schelfbruch, im Zuge der Alpenbildung, richteten sich im Laufe der Erdgeschichte diese Formationen auf und traten neben anderen Orten hauptsächlich in der Klamm an die Oberfläche. Über viele Jahrhunderte wurde der Bruch wirtschaftlich genutzt. Von Unterammergau wurden die Wetzsteine bis nach Polen und Rumänien exportiert.


Der Pfad durch die Klamm ist gut gesichert. Jedoch zeigt das Wasser der Schleifmühlenlaine welche wilde Kraft dem herabschießenden Bach innewohnt, der rauschende Fälle formt und grünlich schimmernde Gumpen in den Felsen schneidet. Nach dem Verlassen der Klamm folgten wir eine Weile dem Wirtschaftsweg Richtung Pürschling. Kurz vor der Langtalalm wechselten wir rechts auf den Bergrücken zwischen Langtal und Kuhalm. Durch einen mystisch anmuten Wald stiegen wir zum August-Schuster-Haus auf. Dort machten wir auf der sonnenbeschienenen Terrasse eine längere Rast und genossen Vesperteller, Almdudler und Skiwasser. Auch gab es eine Runde Schokolade.
Im Süden lag der Wetterstein noch von morgendlichen Nebeln bedeckt. Die Zugspitze schien von Wattebäuschen umhüllt. Im Südwesten jenseits des Graswangertals traten die Spitzen von Frieder, Kreutzspitze und die markanten Geierköpfe dominant hervor.


Nach der morgendlichen Stärkung gingen wir auf engen, zum Teil ausgesetzten Pfaden nach Westen. Zwei junge Bergläuferinnen überholten uns in sportlicher, leichtfüßiger Manie. Wir behielten unser gleichmäßiges Schritttempo bei und wanderten unterhalb der Spitzen von Laschenkopf und Laubeck stetig, ohne große Gegenanstiege, gleichbleibend auf ca. 1550 m, auf einem abwechslungsreichen Pfad, 3 km nach Westen. Als wir genau über dem Schloss Linderhof standen und der Blick in die Parkanlage des Schlosses fiel, schwenkte der Pfad nach Norden. Ein Anstieg in der prallen Sonne stand uns bevor. Mit einem Blick zurück sahen wir unter uns noch einmal das fast ausgetrocknete Bachbett der Linder. Die Linder versickert vor Graswang, um dann zwischen Ettal und Oberammergau als wasserführende Ammer wieder an die Oberfläche zu treten.


Vor uns lagen nun 200 Höhenmeter bis zum Hennenkopfkreuz. Leichtfüßig bewältigten wir den Anstieg. Die letzten Höhenmeter vor dem Ziel, führten über blanke, mannshohe Kalksteinabbrüche, die wie von Riesenhand verstreute Würfel herum lagen. Da mussten wir durch. Manchmal war es geschickt die Hände bergsteigerisch einzusetzen. Aber das Ziel verloren wir nicht aus den Augen: „Hinauf, hinauf zum Gipfelkreuz!“
Nach einem herzlichen Handschlag und dem obligatorischen Eintrag ins Gipfelbuch genossen wir die Aussicht über das schöne vor uns liegende südwestliche Oberbayern. Vom Forggensee im Westen bis zum Starnberger See im Osten reichte der Blick. Ursprünglich hieß der Starnberger See Würmsee. Benannt nach dem Fluss Würm, der bei Starnberg den einzigen Abfluss des Sees bildet. Im Norden war der Hohenpeißenberg, mit seinen 1000 Metern als unverwechselbare „Landmark“ zu erkennen.


Unser nächstes Ziel lag im Osten. Hinter dem Laubeck ragte der majestätische Gipfel des Teufelstättkopf auf. Am Fuße des Hennenkopfes, machten wir nochmals Rast. Auf den von der Sonne gewärmten Kalkblöcken fand jeder ein gemütliches Plätzchen. Die Rast dehnten wir etwas aus. Hier schöpften wir nochmals Kraft für den weiteren Weg. Vom Gipfel des Hennenkopfes waren die kleinen, aber mühevollen Gegenanstiege des weiteren Weges schon sehr deutlich zu erahnen.
Wir umgingen die markante Formation des Laubecks nordseitig in einem Bogen, dem Wanderweg folgend. Dazu mussten wir Höhe abgeben und standen plötzlich vor dem dramatischen Abbruch der Ostflanke des Laubecks. Unterhalb des Ostabbruches begann der letzte Gegenanstieg von 150 Hm auf den Teufelstättkopf. Inzwischen waren wir so gut „eingelaufen“, dass diese Etappe mit Leichtigkeit gegangen wurde. Am Fuße des Teufelstättkopfes berieten wir kurz, ob wir über den kurzen drahtseilversicherten Steig den Gipfel „mitnehmen“ sollten. Aber ein Blick nach Westen zeigte uns, dass sich dort etwas zusammenbraute. Die hellen, luftigen, fast fröhlichen Wölkchen nahmen dort eine zusehends dunklere Farbe an. Daher beschlossen wir den Gipfel links liegen zu lassen und über den Steingrat auf die Kuhalm abzusteigen. Gerade hatten wir die ersten 100 Hm im Abstieg hinter uns, als das Wetter mit Regen über uns hereinbrach. Aus den Rucksäcken wurde die wetterfeste Bekleidung herausgeholt und angelegt. Dann folgte der hochkonzentrierte Abstieg, Schritt für Schritt, Höhenmeter für Höhenmeter. Allmählich ging der Starkregen in einen Landregen über, der uns bis zum Parkplatz begleitete.


Der Abschluss der Tour wurde im Gasthaus zur Schleifmühle, bei einer Stärkung in gemütlicher und fröhlicher Runden, bei Gesprächen über „Alles“, begangen. Als wir nach der Brotzeit das Gasthaus verließen, war der Regen Geschichte. Als sei nichts gewesen, beschien die Sonne die im Osten liegenden Berghänge von Unter- und Oberammergau.


Ursprünglich war die Tour mit einer reinen Gehzeit von 8h geplant. Für alle Rasten und Pausen wurde eine Stunde veranschlagt. Beides wurde durch die Umstände überschritten. Mit allen Gegenanstiegen hatten wir 1300 Hm und 17 km in den Beinen. Um kurz vor 2000 waren wir wieder am Treffpunk in Landsberg am Lech.
Die Meinung aller Teilnehmer war: „Ein tolles Abenteuer“.

 

Text: Kurt Wacker